Jura-Absolvent:innenbefragung: Anspruch (nicht) erloschen?

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Lernen die Studierenden in der juristischen Ausbildung noch das Recht zu verstehen – oder nur sie zu überstehen?
© baona von Getty Images Signature / Canva
Was die sechste bundesweite Absolvent:innenbefragung des BRF über den Reformbedarf in der juristischen Ausbildung aussagt.

Am 15. Oktober hat der BRF seine mittlerweile sechste bundesweite Absolvent:innenbefragung veröffentlicht. Die Ergebnisse zeigen, was viele Studierende längst spüren: der Prüfungsdruck in der Examensvorbereitung ist enorm. Mehr als 80 % der 1.835 Befragten empfinden ihn als „sehr hoch“.

Survival statt Studium?

In den Kommentarfeldern der Befragung wurde die Examensvorbereitung teils als „absolute Hölle“ oder „echte Qual“ bezeichnet. Teilnehmende haben von Angststörungen, Panikattacken, Burnout, Depressionen oder physischen Beschwerden berichtet. Diese Stimmen werfen die Frage auf, ob die Studierenden in der juristischen Ausbildung noch lernen das Recht zu verstehen – oder nur sie zu überstehen.

Für den BRF sind die Ergebnisse keine Überraschung. Schon frühere Befragungen und andere Umfragen zeichnen das Bild, dass Jurastudierende insbesondere in der Examensvorbereitung unter immensem mentalem Druck stehen. So fordert der BRF seit Jahren die flächendeckende Einführung eines integrierten Bachelors, um das „Alles-oder-nichts-Prinzip“ aufzubrechen.

Auch aus der Befragung lässt sich schließen, dass 85 % der Ansicht sind, ein Bachelor würde den Prüfungsdruck verringern. Entgegen einigen Befürchtungen würden über 90% dennoch die staatliche Pflichtfachprüfung anstreben.  Es besteht also lediglich der Wunsch nach einer Absicherung auf dem Weg zur ersten juristischen Prüfung. Ein solcher Abschluss stellt daher keine Entwertung der ersten juristischen Prüfung dar, sondern eine notwendige Entlastung.

Der Preis des Prädikats

Vor dem Hintergrund der Befragung könnte man meinen, dass das Studium seinen Ruf der Exzellenz mit der wachsenden Unzufriedenheit der Studierenden bezahlt. Rund zwei Drittel der Befragten würden das Jurastudium in seiner aktuellen Form nicht weiterempfehlen. Das sind über 20 Prozentpunkte mehr als in der vergangenen Befragung. Demgegenüber würden nur circa 5 % das Studium uneingeschränkt weiterempfehlen.

So fordert der BRF seit Jahren die flächendeckende Einführung eines integrierten Bachelors, um das „Alles-oder-nichts-Prinzip“ aufzubrechen.

Dass Jura als so unattraktiv von der Mehrheit der Befragten wahrgenommen wird ist fatal, insbesondere mit Blick auf den zunehmenden Jurist:innenmangel, der Druck auf unseren Rechtsstaat ausübt.

Zweitkorrektur ohne zweiten Blick?

Neben dem psychischen Druck empfinden viele es als entmutigend und ungerecht, nach jahrelangem Studium nur an einer einzigen Note gemessen zu werden. Hinzu kommen laut der Befragung der fehlende Praxisbezug, ein veraltetes Studiensystem sowie die unzureichenden Anrechnungs- und Finanzierungsmöglichkeiten von Auslandsaufenthalten.

Die Bewertungspraxis der Klausuren wird von den Befragten besonders stark kritisiert. Über 80 % haben die Klausurbewertung als hochgradig subjektiv, intransparent und teilweise willkürlich empfunden. Zweitkorrektor:innen schließen sich häufig an das Votum der Erstkorrektor:innen an. In so einem Fall läuft sie fehl, da sie eben nicht der unabhängigen Überprüfung der Bewertung dient. Eine verdeckte Zweitkorrektur könnte nach Meinung des BRF hier Abhilfe schaffen. Damit ließe sich vermeiden, dass die Zweitkorrektor:innen sich ausschließlich an das Votum der vorhergehenden Korrektur anschließen.

Anspruch (nicht) erloschen?

§ 5a Absatz 3 DRiG verpflichtet das juristische Ausbildungssystem dazu, die Fähigkeit zur kritischen Reflektion des Rechts zu fördern. Die Ergebnisse der Befragung lassen jedoch Zweifel aufkommen, ob das Jurastudium diesem Anspruch gerecht wird.

Bei all der Kritik überrascht, dass die Absolvent:innen dem Studium auch etwas Positives abgewinnen konnten. Viele schätzen die Logik und die Systematik des Rechts sowie der intellektuelle Anspruch des Studiums. Auch die diversen Berufsperspektiven, die die volljuristische Ausbildung eröffnet, werden positiv hervorgehoben. Das Problem liegt also nicht am Fach selbst, sondern an strukturellen Bedingungen.

Die gute Nachricht ist: Strukturen lassen sich ändern. Aber die Absolvent:innenbefragung zeigt erneut: Über das Wie sollten wir dringend sprechen.

Disclaimer

Der BRF möchte darauf hinweisen, dass die Ergebnisse der Befragung ausschließlich auf den Angaben der Teilnehmer:innen beruhen und daher nicht als repräsentativ für alle Absolvent:innen betrachtet werden können. Es wird darum gebeten, die Ergebnisse in einem angemessenen Kontext zu betrachten und die Limitationen der Befragung zu berücksichtigen.

Seit 2014 führt der BRF unter den Absolvent: innen der ersten juristischen Prüfung regelmäßig eine Befragung durch, um ein umfassendes Meinungsbild über die Ausbildungsbedingungen im rechtswissenschaftlichen Studium zu gewinnen. Mit der Absolvent: innenbefragung will der BRF strukturelle Entwicklungen im juristischen Ausbildungssystem sichtbar machen, Reformprozesse datenbasiert anstoßen und die Perspektiven der Studierenden stärker in hochschul- und bildungspolitische Entscheidungsprozesse einbringen.

An der sechsten Absolvent:innenbefragung nahmen im Zeitraum vom 29. Februar bis 30. September 2024 insgesamt 1.835 Personen aus ganz Deutschland teil.

Der Vorstand des BRF möchte sich bei allen Mitwirkenden der sechsten Absolvent:innenbefragung ganz herzlich bedanken. Besonderer Dank gilt an dieser Stelle Frederik Janhsen und Luís Tiago Sartingen, die ein Jahr damit verbracht haben die Ergebnisse der Befragung auszuwerten und zusammenzutragen.

Die Befragung kann unter folgendem Link abgerufen werden:

Sechste bundesweite Absolvent:innenbefragung 2025

Redaktionelle Anmerkung

Deine Meinung zum Referendariat zählt! 🎓

Nach der großen Absolvent:innenbefragung zum Studium startet jetzt die bundesweite Befragung des BRF zum Referendariat!
Wenn Du seit dem 1. Januar 2024 Deinen juristischen Vorbereitungsdienst beendet hast – egal mit welchem Ergebnis – mach mit und teile Deine Erfahrungen.

Die Umfrage läuft vom 6. Oktober 2025 bis 5. April 2026 über SoSci Survey.

https://bundesfachschaft.de/abs-ref/

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Carla Marondel
Die Autorin ist Vorständin für Inhaltliche Koordination beim Bundesverband rechtswissenschaftlicher Fachschaften (BRF).